Session vom 14.3
Das vergilbte Pergament raschelte als es umgeblättert wurde. Auch wenn die Seiten noch gut erhalten waren, war die Schrift auf den nächsten Seiten nicht mehr lesbar. Nur wenige Wörter waren noch erkennbar. Dort stand etwas über einen Kampf gegen Goblins, doch genaueres war nicht zu entziffern.
Ein paar Seiten später wechselte die Handschrift, das Tagebuch schien also von mehreren Menschen benutzt worden zu sein. Der neue Autor hatte eine kleinere und geschwungenere Schrift, jedoch waren diese Seiten wieder besser erhalten.
Ich habe das Tagebuch jetzt übernommen, Ohn …. kann es leider nicht mehr. Er war ein tapferer Kämpfer, doch gegen die hinterhältigen Magietricks dieses Quasiten hatte er keine Chance. Wir sind dem Quasiten in einer Art unterirdischen Kathedrale begegnet, noch immer durch die Gänge streifend, zu denen die Schmugglertunnel führten. Es rief uns etwas Unverständliches zu und stürzte sich auf uns. Anscheinend war es hinter dem magischen Buch her, welches Ohn bei sich trug denn es konzentrierte sich ganz auf ihn. Und plötzlich war da ein undurchdringlicher Nebel und von irgendwoher kamen Sündenbruten. In dem ganzen Getümmel habe ich erst bemerkt dass Ohn schon tot war, als nur noch der Quasit übrig war und sein magischer Nebel verschwand. Wir haben versucht Ohn zu rächen, doch es hat sich einfach unsichtbar gemacht und war weg. Dann jedoch wurde ihm das Buch des Schreiberlings zum Verhängnis: Unsichtbar hat der Quasit anscheinend versucht, das Buch aus Ohns Tasche zu holen, doch als es das Buch aufschlug wurde es plötzlich wieder sichtbar und Blitze schossen aus dem Buch auf es zu und verbrannten es bei lebendigem Leibe. So etwas hatte ich noch nie gesehen und ich habe bis jetzt noch nicht herausgefunden wie wir diesen Verteidigungsmechanismus auslösen können. Es wäre im Kampf eine große Hilfe.
Da der Quasit Tod war und wir für Ohn nichts mehr tun konnten, machten wir das Beste aus der Situation und sahen uns weiter in dieser merkwürdigen Kathedrale um. Doch wir fanden nichts interessantes, bis auf zwei Brunnen.
Der erste Brunnen war mit einer magischen Flüssigkeit gefüllt, die eine heilende Wirkung besaß. Der zweite Brunnen leuchtete in einem tiefen orange-rot und war mit bedrohlich wirkenden Ornamenten verziert. Nach Ansicht von Sylija und Ignaros dient der Brunnen zum Beschwören der Sündenbruten, gegen die wir gekämpft hatten. Sie meinen gesehen zu haben wie der Quasit einen Tropfen seines eigenen Blutes in den Brunnen gegeben hat um sie zu beschwören.
Nach einem kurzen, nachdenklichen Schweigen sahen Lical und ich uns an. „Du denkst nicht zufällig das gleiche wie ich ?“ fragte er. „Du meinst, dass die Sündenbruten eigentlich uns gehorchen müssten, wenn wir sie beschwören ? Doch, genau das denke ich.“ Kurz entschlossen hielt ich ein Hand über das Becken und setzte den Dolch am Daumen an. Zögernd sah ich zu Lical. Ein aufforderndes Nicken. Ich holte tief Luft und zog die Klinge über meinen Daumen.
Ein dicker Blutstropfen bildete sich an der Wunde und tropfte in den Brunnen. Die orangene Flüssigkeit begann schlagartig zu brodeln, große Blasen stiegen auf und zogen sich in der Mitte zusammen. Erst bildeten sie einen Kreis, dann ein Oval, dann wurden die Konturen immer deutlicher, bis mich das Gesicht einer Sündenbrut aus dem Brunnen heraus anschaute.
Ich schrak zusammen und im selben Moment brach eine echte Sündenbrut aus dem Brunnen hervor und sprang mich an. Erschrocken versuchte ich sie mit meinem Dolch abzuhalten, doch mein Arm zitterte viel zu stark als dass ich viel hätte ausrichten können. Die Kreatur sah mich an und fauchte, wobei die dreifingrigen Hände, die ihren Mund umgaben, gierig nach mir griffen. Dann das Geräusch knackender Knochen und die Apparation sackte vor mir zusammen. An ihrer Stelle stand Lical, den Todschläger noch immer erhoben. „Ok, das war vielleicht doch keine so gute Idee“, meinte er. Ich holte tief Luft. „Da stimme ich dir zu“.
Ignaros stampfte auf uns zu. „Hey, ihr beiden Kleinen, alles klar bei euch“, rief der Kleriker und mit einem blick auf den erledigten Gegner vor uns, „Wo kommt den das Mistvieh her ? Das sieht ja noch hässlicher aus als die anderen beiden die wir geklatscht haben“.
Daraufhin erschien auch Sylija und so erzählten wir dem Rest der Gruppe, was geschehen ist und was unsere Überlegung war. Ignaros wollte ` diesen ganzen heidnischen Quatsch ´ einfach nur so schnell wie möglich unschädlich machen, doch Lical und ich wollten unsere Idee noch nicht aufgeben. Wir einigten uns darauf, dass ich etwas von dieser magischen Flüssigkeit mitnehmen sollte und wir es im Kloster von Sandspitze untersuchen lassen könnten.
Ich holte eines meiner Reagenzgläser hervor und beugte mich erneut über den Brunnen. Erstaunt stellte ich fest, dass die Farbe der geheimnisvollen Flüssigkeit an Intensität verloren hatte. Dennoch versuchte ich etwas davon in das Reagenzglas zu füllen. Als meine Hand die Oberfläche berührte, setzen meine Erinnerungen aus.
Was jetzt geschah weiß ich nur durch die Erzählungen von meinen Freunden und wenn ich ihnen nicht vertrauen würde, hätte ich ihnen kein Wort geglaubt. Sie berichteten mir, dass ich komplett durchgedreht sei, als ich die Substanz im Brunnen berührte. Ich wäre angeblich mit irrem Blick und wild mit meinem Dolch fuchtelnd auf Ignaros losgegangen. Dieser hat keine andere Möglichkeit gesehen als mich bewusstlos zu schlagen, `wegen der Sicherheit´, wie er mir entschuldigend erzählte. Nach einer kurzen Beratung seien sie darin übereingekommen, mich zu dem ersten Brunnen zu bringen und mich mit dessen Hilfe zu heilen. Als Sylija mich jedoch nahm und mit ihren Haaren in den Brunnen hielt sei ich wieder zu mir gekommen und hätte sofort eine Bombe auf sie geworfen, durch die ich selbst wieder bewusstlos geworden sei. Eine Bestätigung dieser Geschichte fand ich in Form von Rußfleck auf meiner und ihrer Kleidung.
Jetzt sitze ich in unserem Gasthaus, `Zum rostigen Drachen´, trauere um meinen Freund Ohn und versuche meine Gedanken zu ordnen indem ich diese Zeilen schreibe.
Das Holzkreuz selbst war mit einigen Schnitzereien verziert und zeigte in großen Lettern das Wort `OHN´. Darunter stand in kleineren Buchstaben: „Gestorben für das Wohl aller, im Kampf gegen das Böse“. Trotzdem machte das Grab selbst einen recht schlichten Eindruck, was jedoch zu Ohns Leben in Enthaltung passte.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. „Ohn war ein tapferer Kämpfer, doch jetzt sollten wir und auf den Weg machen um den Kampf gegen die Goblins fortzuführen. Wir müssen zu den Distelkronengoblins. Es hilft Ohn nicht, wenn Sandspitze von diesen Kreaturen überrannt wird“. Einen Moment noch blieb ich vor dem Grab knien, dann erhob ich mich langsam und sah Lical ab. In seinen Augen sah ich, dass auch er um Ohn trauerte, noch mehr jedoch um seinen Hund Fluffy, der nur ein Grab weiter lag. Wir beide hatten einen guten Freund verloren. Ich nickte nur, sprechen konnte ich nicht, der Kloß in meinem Hals war zu groß. Dann folgte ich Lical.
Zusammen gingen wir zum östlichen Stadttor, wo uns Sylija, Ignaros, und ein fremder Mann erwarteten.
Der Fremde war ein wahrer Koloss: Riesig war er, selbst für einen Menschen, fast doppelt so groß wie ich selbst. Eine glänzende und reich verzierte Rüstung bedeckte seinen ganzen Körper und ließ keinen Zoll seiner Haut ungeschützt. An seiner Seite hing ein ebenso riesiger Zweihänder, den ich wahrscheinlich nicht mal hätte anheben können. Dazu passend trug er einen großen und protzigen Helm, so dass es schwer war viel von seinem Gesicht zu erkennen. Verstärkt wurde diese bedrohliche und unnahbare Ausstrahlung durch die aufsteigende Sonne, direkt hinter ihm.
„Wer genau ist der Schrank dort drüben ?“, flüsterte ich Lical zu. „Das ist Tarios, ein Kämpfer aus Magnimar. Er ist erst vor kurzem als Verstärkung hier eingetroffen und will uns gegen die Distelkronengoblins helfen.“
Tarios war in ein Gespräch mit Ignaros vertieft, doch als wir näher kamen bemerkte er uns und sah zu uns herab. Mit donnernder Stimme rief er: „Willkommen Freunde, Gorum schütze euch !“. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und erwidert: „Äh, Hi.“ Ungeduldig unterbrach Ignaros das Gespräch: „Na los, auf geht’s. Wir wollen die Goblins doch nicht warten lassen.“
Die Reise in den Distelkronenwald verlief relativ ruhig. Der Weg führte über Ebenen und durch Waldgebiet, aber das einzige was für ein wenig Abwechslung sorgte war Ignaros. Der großspurige Kleriker stapfte natürlich an der Spitze der Gruppe, ständig irgendwas von Saranrae faselnd. Nach ihm kamen ich und Lical, der schon aufgeregt die Umgebung nach neuem absuchte. Der aufgedrehte Halbling war mir der sympathischste der Gruppe. Auch er hatte einen guten Freund verloren und auch von der Größe her waren wir auf Augenhöhe. Hinter uns lief Sylija, die Hexe, und der wandelnde Koloss Tarios bildete das Schlusslicht.
Und da Ignaros unbedingt vorlaufen wollte, war er es auch der die Gruppe auf giftige Pflanzen und unwegsame Teile des Pfades aufmerksam machte, natürlich erst nachdem er selbst hineingetreten bzw. darüber gestolpert war.
Deshalb war er es auch, der am lautesten jammerte als nach einigen Stunden Fußmarsch schließlich der Distelkronenwald in Sicht kam. Man muss ihm allerdings zugutehalten, dass er die schwerste Rüstung trug. Mal abgesehen von Tarios, der unermüdlich weiterstampfte.